Vorworte

Hermann Kuenz

Vorwort des Obmanns

Sehr geehrte Damen und Herren!

Darin sind wir uns wohl einig: Wir leben in außergewöhnlichen Zeiten – die Hoffnung auf Rückkehr zu Normalität im Jahr 2022 hat sich nicht erfüllt.

Der völkerrechtswidrige Überfall von Russland auf die Ukraine am 24. Feber 2022 prägte das gesamte Berichtsjahr. Wenn auch die tägliche mediale Berichterstattung nur mehr zum Teil vom Kriegsgeschehen in Europa dominiert wird, dürfen Tod, Armut, Leid und Flucht der betroffenen Bevölkerung nicht vergessen werden. Der Schaden in der Ukraine – besonders an Infrastruktur und Zivileinrichtungen – ist unermesslich, ein Ende der Kämpfe nicht absehbar und der Wiederaufbau eine Herkulesaufgabe.

Die Geschehnisse verstärkten die extreme Volatilität aller globalen Märkte. Die Verfügungsfrage von Energie, im besonderen Gas, rückte in den Mittelpunkt von Politik und Wirtschaft. Versorgungsausfälle, Lieferkettenunterbrechungen und in weiterer Folge Preissprünge bei Rohstoffen, Betriebsmittel und auch landwirtschaftlichen Produktionsmitteln forderten Verantwortungsträger in allen Bereichen in bisher nicht gekanntem Ausmaß.

Der Staat Österreich hat die umfangreichen und betraglich extrem hohen Unterstützungsleistungen für Gesellschaft und Wirtschaft im Jahr 2022 fortgesetzt. Die Bruttowertschöpfung in Österreich ist mit 5 % im letzten Jahr bedeutend gestiegen, Tirol hatte sogar mit 7,9 % Wirtschaftswachstum das höchste im Bundesländervergleich. Sosehr aus gesellschaftlicher Sicht die gegebene Vollbeschäftigung positiv zu bewerten ist, bedeutet der Facharbeitermangel inzwischen den begrenzenden Faktor in der Gesamtwirtschaft, besonders im Tourismus. Die Inflation der Verbraucherpreise erreichte, getrieben von explodierenden Energiepreisen, mit deutlich über 10 % plus im Jahresvergleich nicht bekannte Höchstwerte. In Hinblick auf eine Stabilisierung erhöhte die EZB in rascher Folge die Leitzinssätze in mehreren Schritten mit massiv spürbaren Marktauswirkungen.

Die Gesamtentwicklung der Raiffeisengenossenschaften in Tirol im Berichtsjahr gibt unter den gegebenen Rahmenbedingungen Anlass zu Zufriedenheit und Freude. Der Stellenwert unseres genossenschaftlichen Geschäftsmodells ist in diesen unruhigen Zeiten gestiegen. Robustheit und eine breit abgestützte Basis bewiesen Stabilität und Verlässlichkeit. Regionale Kreisläufe und Nachhaltigkeit, ebenfalls Raiffeisengrundsätze, gewinnen an Breite und Bedeutung. Sowohl unser Bankensektor als auch die Bereiche Ware, Verwertung und Vermarktung sowie Energie- und Dienstleistungen fokussierten sich auf die Bedürfnisse der Mitglieder und Kunden. Alle unsere Sektoren können auf eine gute Geschäftsentwicklung 2022 zurückblicken.

Effiziente, fachkundige und verlässliche Dienstleistungen für unsere Mitglieder zu erbringen stand auch im Jahr 2022 für den Raiffeisenverband Tirol im Mittelpunkt. Die Herausforderung dieses besonderen Jahres haben Führungskräfte sowie Mitarbeiter mit außergewöhnlichem Engagement angenommen. Neben dem umfangreichen laufenden Betrieb waren die Umsetzung des Projektes „RBGT-bereit für die Zukunft“ und das „Peer-Review“ in der Revision zur Erlangung der APAB-Bescheinigung für die nächsten sechs Jahre außergewöhnliche Herausforderungen. Ich möchte mich im Namen der Mitglieder bei der Geschäftsführung, den Führungskräften, sowie allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für das Engagement, ihre Flexibilität und stete Solidarität zum Verband herzlich bedanken. Mein Dank gilt auch den Mitgliedern des Präsidiums, des Vorstands- und Exekutivausschusses sowie dem Betriebsrat für den intensiven Gedankenaustausch, die Diskussion und den verantwortungsvollen Beschlüssen.

Allen unseren Mitgliedsgenossenschaften und weiteren Mitgliedsunternehmen möchte ich für das entgegengebrachte Vertrauen danken. Mein besonderer Dank gilt der Raiffeisenlandesbank Tirol für die exzellente Zusammenarbeit, dem Österreichischen Raiffeisenverband und den Raiffeisenorganisationen der Nachbarregionen für unser gutes Zusammenwirken. Ich bedanke mich im Namen des Raiffeisenverbandes Tirol bei allen öffentlichen Institutionen auf Bundes- und Landesebene für die konstruktive Zusammenarbeit und Unterstützung.

Für die Zukunft gilt es, die zeitlosen Raiffeisenwerte in aktueller, verständlicher Sprache zu vermitteln und diese in die Dynamik einer sich rasch wandelnden Gesellschaft und Wirtschaft zu implementieren. Im laufenden Jahr gilt es, die Leistungsfähigkeit und Stabilität unserer Mitglieder zu stärken und ihre Interessen mit vollem Engagement zu vertreten.

Bestehen bleibt das Motto von Friedrich Wilhelm Raiffeisen:
„Was dem Einzelnen nicht möglich ist, das vermögen Viele“


Hermann Kuenz

Peter Sapl
Edwin Grubert

Vorwort der Geschäftsführung

Sehr geehrte Damen und Herren!

2022 – Ein außergewöhnliches Geschäftsjahr?

In den vergangenen Jahren konnte man immer wieder lesen, dass das jeweils abgelaufene Geschäftsjahr ein außergewöhnliches, herausforderndes war. Einhellig war man der Ansicht, dass die Außergewöhnlichkeit im Wesentlichen auf dem Corona-Virus beruht. Das negative Zinsniveau, das den Raiffeisenbanken seit Jahren, trotz überdimensionaler Anstrengungen, bescheidene Betriebsergebnisse bescherte, schien angesichts der Pandemie fast vergessen.

Alles wird besser, wenn nur das Corona-Virus besiegt wird, war das Motto zu Beginn des Jahres 2022. Die Pandemie hat im dritten Jahr der Gesundheitskrise durch die milder gewordenen Varianten des Virus SARS-CoV-2 ihren Schrecken verloren. Durch die Aufhebung der Quarantänevorschriften im zweiten Halbjahr 2022 kehrte für viele wieder Normalität in den Alltag ein.

Kaum schien die erste Krise bewältigt, bescherte das Jahr 2022 der Welt die nächste Krise. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine Ende Februar 2022 trieb und treibt nicht nur Millionen Menschen in die Flucht, sondern löste letztlich auch eine noch nie dagewesene Teuerungswelle aus. Insbesondere die stark gestiegenen Energiepreise machten und machen nicht nur den privaten Haushalten, sondern auch unseren Mitgliedern aller Sparten zu schaffen und drängten im Jahr 2022 die Corona-Pandemie ebenso in den Hintergrund wie die bereits seit Jahren anhaltende Klimakrise.

All diesen Krisen zum Trotz ist es der heimischen Wirtschaft im Jahr 2022 erfreulicherweise gelungen, eine stärkere Wirtschaftsleistung zu verzeichnen als prognostiziert. Die umfangreichen Staatshilfen in Form von Energiekostenzuschüssen sowie die Strompreisbremse mögen sicher einen großen Beitrag hierzu geleistet haben. Dennoch ist diese Leistung der heimischen Wirtschaft mehr als beachtlich.

Unsere Mitgliedsgenossenschaften - sowohl innerhalb als auch außerhalb des Geldsektors - konnten die Krisen und Herausforderungen des vergangenen Geschäftsjahres gut meistern und das Geschäftsjahr 2022 erfolgreich abschließen. Dies trotz des am Arbeitsmarkt bestehenden Personalmangels, der alle unsere Mitgliedsgenossenschaften und auch den Raiffeisenverband Tirol selbst seit geraumer Zeit vor große Herausforderungen stellt. Die Personalknappheit, gepaart mit den durch die hohe Inflation bedingten hohen Energiepreisen, hat bereits Ende des Geschäftsjahres 2022 für unsere Mitgliedsgenossenschaften diverser Sparten zu enormen Lohn- und Preissteigerungen geführt, die auch noch in den kommenden Geschäftsjahren zu spüren sein werden.

Für die Mitgliedsgenossenschaften des Geldsektors, für unsere 50 selbständigen Tiroler Raiffeisenbanken, hat die längst ausständige Trendumkehr im Zinsbereich, dem Kerngeschäft, einerseits neuen Auftrieb gegeben. Andererseits hat die mit dem steigenden Zinsenniveau verbundene Verteuerung der Kredite, in Verbindung mit den neuen regulatorischen Vorschriften der KIM-Verordnung, seit Jahresmitte zu einem Einbruch bei der Nachfrage nach Wohnraumfinanzierungen geführt.

So ist es nicht verwunderlich, dass es auch im Geschäftsjahr 2022 zu mehr Verschmelzungen von Raiffeisenbanken gekommen ist als in den Vorjahren. Waren es im Geschäftsjahr 2021 noch 57 selbständige Tiroler Raiffeisenbanken, so ist die Zahl der selbständigen Tiroler Raiffeisenbanken im Geschäftsjahr 2022 aufgrund von Fusionen auf 50 Raiffeisenbanken zurückgegangen. Dieser Trend vermehrter Fusionen ist über das Geschäftsjahr 2022 hinaus gegeben und wird weiter zu einer drastischen Reduzierung selbständiger Tiroler Raiffeisenbanken führen. Geschuldet ist dies nicht zuletzt dem immer stärker werdenden Einwirken regulatorischer Vorschriften in das operative Bankgeschäft. So ist beispielsweise die strikte Trennung zwischen Markt und Marktfolge auch bei kleinen Raiffeisenbanken aufgrund der geringen Mitarbeiterzahl kaum zu stemmen.

Dennoch sind wir überzeugt, dass unsere Mitgliedsgenossenschaften, wie schon bisher, auch diese Herausforderung sehr gut bewältigen, an die erfolgreichen Vorjahre anschließen und gute Ergebnisse erwirtschaften werden, auch wenn sich das Umfeld seit der Gründung der ersten Genossenschaft fundamental geändert hat. Die Genossenschaftsidee wurde in einer Krisenzeit geboren, sie hat Weltkriege überstanden und schwierigen Rahmenbedingungen erfolgreich getrotzt. Dem Kunden nahe zu sein, ihm maßgeschneiderte Lösungen zu bieten und ihm in schwierigen Zeiten Stabilität und Kontinuität zu vermitteln, ist und bleibt das Erfolgsrezept der Genossenschaft nach dem System Raiffeisen.

Diesem Grundgedanken verhaftet, hat auch der Raiffeisenverband Tirol im Geschäftsjahr 2022, in enger Abstimmung zwischen Prüfung einerseits und Services andererseits, einen wesentlichen Beitrag zum erfolgreichen Abschluss des Geschäftsjahres 2022 unserer Mitglieder geleistet. Die Möglichkeit, in Zusammenarbeit im genossenschaftlichen Verbund weiterhin einen Beitrag zum Erfolg unserer Mitgliedsgenossenschaften leisten zu können, stärkt uns in unserem Bemühen und beflügelt unseren Ehrgeiz, uns auch in Zukunft weiterhin für die Interessen unserer Mitglieder einzusetzen und ihnen, neben der besonderen und bewährten Form der Pflichtprüfung, auch maßgeschneiderte Beratungs- und Betreuungsleistungen anzubieten, ganz im Sinne von Raiffeisen: Wir macht’s möglich!

Peter Sapl

Edwin Grubert